Naturweine, Orange, RAW etc.

Orange- und Naturweine sind in Expertenkreisen schon groß in Mode, vielen Konsumenten allerdings noch ein Rätsel. Es handelt sich hierbei um Weine, die möglichst naturbelassen in die Flasche kommen, also mit möglichst geringen Eingriffen im Keller hergestellt werden – oft in Verbindung mit biologischen oder biodynamischen Anbaumethoden. Die Bandbreite der Ergebnisse ist zwar groß, allerdings haben die Erfahrungen hier bereits heute einen positiven Einfluss auf die normale Weinproduktion.

Mit Naturweinen besinnen sich die Winzer nach der starken Industrialisierung der Weinproduktion der vergangenen Jahrzehnte wieder auf traditionelle Produktionsmethoden im Weinbau. So kommen wieder vermehrt alte, große Holzfässer statt Stahltanks zum Einsatz, um Sauerstoffkontakt zuzulassen, es wird spontan vergoren und auch Weißweine dürfen gerne etwas länger mit Maische und Hefe in Kontakt bleiben. Auf die heute gängigen technischen Verfahren Entschleimen, Schönen (z.B. mit Eiweiß) und vor allem Filtrieren wird verzichtet und möglichst wenig Schwefel eingesetzt.

Naturweine sind dadurch vielschichtiger, haben mehr Struktur und zeigen neben den fruchtigen Primäraromen mit sogenannten Sekundär- und Tertiäraromen auch Geschmacksdimensionen, die man sonst z.B. von gereiften Weinen kennt. Durch die minimalen Eingriffe im Keller sind sie oft trüb und bringen den Charakter von Terroir, Sorte und Jahrgang unverblümt ins Glas. Nach einem ersten Aha-Effekt ob der ungewohnten Aromen (z.B. Tannin im Weißwein) sind die Weine nicht selten sehr trinkig.

In der maischevergorenen Variante erfährt der Wein nicht nur die inzwischen auch bei herkömmlichen Weißweinen weit verbreitete Maischestandzeit (6-24h), sondern wird über einen Zeitraum von 1-2 Wochen wie ein Rotwein auf den Beerenschalen vergoren. Dadurch wird noch mehr Geschmack und Struktur aus den Beerenschalen herausgeholt, der Ausbau kann dabei sowohl reduktiv (herkömmlich) oder oxidativ (Natur- bzw. Orange-Wein) erfolgen.

Orange-Weine lagern nach der Maischegärung zusätzlich noch Monate bis Jahre auf den Beerenschalen. Für einen intensiven Sauerstoffkontakt werden dazu neben Holzfässern auch besonders poröse Behälter wie Betontanks, Amphoren oder Steinfässer eingesetzt. Die bereits stark oxidierten Weine werden dann oft gar nicht geschwefelt. So entstehen Essenzen, die aromatisch nur noch entfernt an herkömmliche Weine erinnern: sie sind je nach Rebsorte intensiv gelb bis knallorange und zeigen im Weißwein eher seltene Aromen wie Mandarinen, Orangenzeste, Hagebutte, Leder oder Jod. Wie Sie sich vorstellen können, gibt es dabei teils extreme Vertreter – aber zunehmend auch Winzer, die durch wachsende Erfahrung und geschickte Dosierung von Sauerstoff- und Maischekontakt immer harmonischere und trinkigere Orange-Weine hervorbringen.

Viele Winzer möchten mit diesen Herstellungsmethoden auch mehr Mineralik und Sortentypizität zum Vorschein bringen, allerdings ist es gerade bei Orange-Weinen noch schwieriger als sonst, die Sorte zu erkennen. Muss man ja aber auch nicht unbedingt, wenn der Wein schmeckt! Und trotz der minimalen Eingriffe beeinflusst der Winzer, sein Keller und seine individuelles Können immer noch ganz maßgeblich das spätere Produkt.

Für aufgeschlossene Weinfreunde sind Orange- und Naturweine ein genauso spannendes Feld wie für experimentierfreudige Winzer selbst. Aus ihren Versuchen gewinnen die nämlich nicht nur oft süffige Weine, sondern vor allem interessante Erkenntnisse für ihre normale Weinproduktion. Probieren Sie dazu mal die Weine von Claus Preisinger aus dem Burgenland und Enderle & Moll aus Baden!

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